Mittwoch, 10.5.2023
Irgendwie war das doch nicht die beste Idee, gestern noch Richtung Stadt zu fahren. Es gibt nur einen Campingplatz, der momentan offen hat und der ist voll, dreckig und die Dusche ist gerade mal lauwarm. Dafür ist er der teuerste bisher… Naja, immerhin treffe ich hier mal andere Leute und kann einen kleinen Schnack halten.
Als ich aufwache, ist es wieder am regnen. Eigentlich bin ich ja der Frühstarter, aber hier kann man sich wirklich Zeit lassen, da in Island vormittags nicht viel passiert. Selbst die Supermärkte machen erst um 10:00 Uhr auf. Es ist draußen echt ungemütlich und ich hole wieder Thermoleggins und Rollkragenpulli raus.
In Akureyri angekommen geht es als erstes zur auffälligen Kirche. Eigentlich ist sie ein hässlicher Betonklotz von 1940, hat aber auch irgendwie was.
Als ich aus der Kirche wieder rauskomme, sehe ich es um die Ecke türkis leuchten. Geil, in Akuryri gibt es E-Scooter!😊 Im Gegensatz zu manch anderem liebe ich die Dinger ja und düse damit in jeder Stadt durch die Gegend. Also, nix wie los. Hier ist es nämlich echt hügelig und mir steckt noch die Wanderung von gestern in den Knochen. Zuerst geht es in den alten Teil, hier reiht sich ein buntes Holzhaus, an das nächste – echt schön. Danach umrunde ich erst mal den See und dann geht’s Richtung Hafen. Hier wird überall unheimlich viel Wohnraum gebaut - im typisch skandinavischen Stil, schlichte Formen und einfach nur schön.
Irgendwie ist hier alles bunter als in Deutschland. Immer wieder tauchen die Regenbogenfarben auf und die roten Ampeln leuchten sogar in Herzform.
Beim Schlendern durch die Stadt fällt auf, dass es hier unglaublich viele Buchläden gibt. Die Isländer lieben Bücher. Zu Weihnachten ist es Tradition, dass sie sich welche schenken und dann alle lesend unter dem Weihnachtsbaum sitzen.
Jetzt noch einen kurzen Abstecher ins Kunstmuseum und dann geht’s weiter. Das mit dem kurz klappt dann nicht, denn es gibt hier eine absolut geniale Video-Installation von Ragnar Kjartansson - The Visitors. Sie ist schon älter und wurde zum besten Kunstwerk des 21. Jahrhunderts gekürt. Für mich hat sie aber seitdem nichts an ihrer Faszination verloren. Im Prinzip ist es eine Ode an die Freundschaft. Es gibt neun Video-Screens, die Szenen spielen in verschiedenen Zimmern eines alten Gutshauses. In jedem Zimmer musiziert ein anderer Musiker, alle synchron den gleichen Song. Das ist so genial gemacht und auch akustisch ein echtes Highlight, dass ich erst 2 Stunden später wieder aus dem Museum rauskomme. Ich zitiere die New York Times: „Die Wirkung ist abwechselnd tragisch und freudig, meditativ und lautstark, und das schwillt in den Gefühlen von der melancholischen Fuge bis zum erlösenden Gospelchor an.“ Yep, genau so.🤓 Wen es interessiert: https://amp.theguardian.com/artanddesign/2019/sep/17/ragnar-kjartansson-the-visitors-best-art-work-21st-century
Nächster Stop ist Hauganes, ein kleines Dörfchen am Fjord mit Hot Pots direkt am Wasser. Versteht sich von selber, dass ich mich da erst mal reinsetze. Das ist wirklich Entspannung pur … das warme Wasser, der Blick über den Fjord und die Weite der Landschaft – wieder mal ein Traum. Es ist später Nachmittag und jetzt kommen auch die Isländer. Wie sich das hier anscheinend gehört, bringen sie jede Menge Dosenbier mit und chillen zusammen im Hot Pot. Ich finde, diese Kultur könnten wir in Deutschland auch mal einführen.
Hier in der Nähe gibt es in den Bergen eine Möglichkeit zu campen. Irgendwie zieht es mich da magisch hin und es ist mal wieder der Knaller. Wirklich am Ende der Welt, umgeben von Bergen, die immer wieder in den Wolken verschwinden, unten rauscht der Fluss, die Islandpferde stehen direkt im Garten, … Und wie es der Zufall so will, ist die Besitzerin Myriam Deutsche, vor 23 Jahren ausgewandert und hat sich hier ihren Traum verwirklicht. Es gibt Ferienwohnung, man kann die umgebauten Ställe als Gruppe für Yogaevents, Skitouren etc. buchen oder eben campen. Ich hoffe, dass das Wetter morgen besser wird, damit ich hier eine schöne Wanderung machen kann.
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